Jahresbericht 2022

Fachwissenschaftliche Arbeit | 19 Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase begrüßt die BStBK die Entscheidung des BVerfG. Bereits seit Langem forderte sie eine gesetzliche Neuregelung, um das offenkundige Problem der derzeitigen Zinshöhe zu lösen. Denn diese führe im Kontext der Vollverzinsung bei Nachzahlungsschuldner*innen zu einer verdeckten Steuerlast und bei Erstattungsgläubiger*innen des Staates zu einer Begünstigung, die seit Jahren der Lage an den Kapitalmärkten diametral entgegenstehe. Allerdings müssen nach Auffassung der BStBK nicht nur die Vollverzinsung, sondern die verfahrens- und materiellrechtlichen Zinstatbestände insgesamt reformiert und an ein kapitalmarktgerechtes Zinsniveau angepasst werden. Vor diesem Hintergrund übermittelte die BStBK dem BMF am 13. Januar 2022 ihre Vorschläge für eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Vollverzinsung und weiterer korrespondierender Vorschriften, die auf die kapitalmarktgerechte Anpassung des steuerrechtlichen Zinssystems abzielen. Notwendig sei ein Zinskonzept, das auf einheitliche und realitätsnahe Zinsen abstelle und Anpassungsautomatismen beinhalte. Am 16. Mai 2022 nahm die BStBK als Sachverständige an der Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung teil. Die BStBK nutzte die Gelegenheit, um den Ausschussmitgliedern ihre Kernforderungen zu erläutern. Sie befürwortete den geplanten abgesenkten Zinssatz bei der Vollverzinsung grundsätzlich, forderte aber Nachbesserungen. Zum Beispiel bei der Absenkung des Zinssatzes auf 0,15 Prozent pro Monat bzw. 1,8 Prozent pro Jahr. Diese Absenkung reicht nach Auffassung der BStBK nicht aus. Mindestens aber müsse die Berechnungsgrundlage für den avisierten Zinssatz transparent und nachvollziehbar sein. In der Anhörung begrüßte die BStBK den im Entwurf vorgesehenen Vertrauensschutz bei der rückwirkenden Berechnung von Erstattungszinsen und die gesetzlich verankerte freiwillige Zahlungsmöglichkeit, um Zinszahlungen zu vermeiden. Zugleich machte die BStBK deutlich, dass die verfahrens- und materiellrechtlichen Zinstatbestände insgesamt reformiert und an ein kapitalmarktgerechtes Niveau angepasst werden müssen. Es brauche zeitnah ein schlüssiges Gesamtkonzept. [ 7 ] – Vorschläge zur Reform des finanzgerichtlichen Revisionsrechts Das finanzgerichtliche Revisionsrecht ist modernisierungsbedürftig, denn der effektive Individualrechtsschutz muss dringend gestärkt werden. Außerdem muss es mehr Rechtssicherheit geben. Wie das konkret aussehen sollte, zeigte die BStBK in ihren Reformvorschlägen auf, mit denen u. a. die Voraussetzungen für den Darlegungszwang abgemildert und ein neuer Revisionszulassungsgrund in die Finanzgerichtsordnung eingeführt werden soll. Demnach ist die Revision nach Auffassung der BStBK auch zuzulassen, wenn „überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Urteils“ bestehen. Um den neuen Revisionszulassungsgrund zu konkretisieren, benannte die BStBK explizite Voraussetzungen und Fallgestaltungen für Rechtsanwender*innen. Ziel ist es, richterrechtlich entwickelte Fallgruppen, die bereits jetzt eine revisionsrechtliche Überprüfung durch den Bundesfinanzhof (BFH) ermöglichen, gesetzlich zu verankern. Zusätzlich soll der Revisionszulassungsgrund aber auch weniger restriktive Fallgruppen umfassen, die den Zugang zum BFH für Rechtssuchende in Zukunft erleichtern. Darüber hinaus setzte sich

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